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Strommessung

Den elektrischen Strom zu messen scheint trivial, ist es aber nicht. Im Gegensatz zu einer Spannungsmessung muß man üblicherweise den Stromkreis auftrennen, was u. U. nicht durchführbar ist, da das Gerät nicht abgeschaltet werden darf oder der Innenwiderstand des Strommeßgerätes die Funktion des Gerätes beeinflussen könnte.

Zwei Methoden sind üblich:
a) Zangenstrommeßgerät
Die Strommessung mit einem Zangenstrommesser erfolgt indirekt über eine Magnetfeldmessung. Dies erfolgt potentialfrei und berührungslos, ohne den Stromkreis aufzutrennen oder zu beeinflussen.
Wechselstrom- und Gleichstrom-Messungen sind möglich, aber der Meßbereich ist nach unten begrenzt, da schwache magnetische Felder nicht ausreichend genau gemessen werden können. Außerdem funktioniert das nur, wenn der zu messende Leiter einzeln umfaßt werden kann, d. h. bei mehradrigen Leitungen muß der Kabelmantel partiell entfernt werden.
Bild: © Wikipedia
b) Ampèremeter bzw. Shunt
Die Strommessung erfolgt indirekt über eine Spannungsmessung an einem präzisen Meßwiderstand im m-Bereich (Shunt):

                     

Dazu muß die Leitung aufgetrennt werden. Dabei ist es prinzipiell egal, an welcher Stelle des Stromkreises das Meßgerät eingefügt wird: in die
Plusleitung oder in die Minusleitung, siehe Bild.
Ersetzt man die beiden Ampèremeter durch je einen Shunt, dann ändert sich erstmal nichts, denn ein Strommeßgerät hat intern einen Shunt verbaut, an dem eine Spannung gemessen wird.
Wenn der Widerstand des Shunts bekannt ist, dann läßt sich der durch ihn fließende Strom mittels des Ohmschen Gesetzes berechnen:

                            
Wenn es egal ist, wo der Shunt eingebaut wird, was sind dann die Vor- und Nachteile beider Varianten?

Shunt in der Plusleitung
Die Spannung U2 darf nur potentialfrei gemessen werden, d. h. es sind z. B. nur batteriebetriebene Meßgeräte bzw. Meßgeräte ohne Massebezug erlaubt!
Die Meßergebnisse können visuell am Display abgelesen werden oder (potentialfrei) z. B. über Funk oder Lichtleiter an ein Meßsystem übermittelt werden.

Shunt in der Minusleitung
Das Meßgerät hat Massebezug; die Spannung U1 kann direkt von einen A/D-Wandler eingelesen und in einem µC weiterverarbeitet werden.
Gravierender Nachteil: Die Minusleitung der Last hängt nicht an der Minusleitung der Batterie, wodurch sich ungeahnte Probleme auftun können!
Beispiel: Funkgerät mit geerdeter Außenantenne
Die Antennenerdung bewirkt, daß das Koax-Kabel und die Erdleitung parallel zum Shunt verdrahtet sind. Da nun der Meßwiderstand „niederohmig kurzgeschlossen“ ist, liefert er kleinere Meßspannungen, was zu falschen Stromwerten führt!
Außerdem könnten bei nicht sauberer Erdung des Funkgerätes vagabundierende HF-Spannungen den A/D-Wandler des µC beeinflussen und so zu Fehlmessungen führen.
Fazit: Um das Problem unterschiedlicher Massen (die vom Funkgerät und die von der Stromversorgung bzw. vom Gesamtsystem) zu umgehen, sollte in Systemen mit komplexer bzw. unbekannter Masseverteilung ein Shunt in der Minusleitung unbedingt vermieden werden!



Fertige Module
Übers Internet kann man Power-Module für weniger als 20 € aus China bestellen, die sowohl Strom als auch Spannung (AC + DC) messen können:

Bilder: © Amazon.de + AliExpress.com

Wenn man Glück hat, dann findet man in den technischen Daten ein „aussagekräftiges Anschlußbild“.

Die allermeisten DC-Module verwenden (aus Kostengründen) einen Shunt in der Minusleitung; nur wenige Module verwenden für die DC-Strommessung einen Ringkern mit Hall-Sensor. Bei Insellösungen (z. B. Solaranlagen) mag das gut funktionieren, aber wehe, wenn ein VDE-Kundiger meint, er müßte die Solarmodule erden...!
Hinweis:
Ringkerne für AC-Strommessungen beinhalten nur eine Spule, keinen Hall-Sensor und auch keine Elektronik. Dementsprechend benötigen sie auch keine Abgleich-Potis!


Strommessung mit dem Oszilloskop
Es gibt durchaus Fälle, wo ein Shunt in der Minusleitung Sinn macht. Nämlich dann, wenn z. B. die Gesamtstromaufnahme eines (batteriebetriebenen) Geräts und beliebige Spannungen innerhalb des Geräts sichtbar gemacht werden sollen:
Verbindet man die Oszilloskop-Masse mit dem Minuspol des Geräts, dann sind massebezogene Strom- als auch Spannungsmessungen gleichzeitig möglich, siehe Bild.
Wenn man für den Kanal 1 die „Invers-Funktion“ auswählt und RShunt = 1 Ω einbaut, dann gilt:
                U1 ILast

Strommessung im PC
Wenn man wissen will, welche Ströme aus einem (potentialfreien) PC-Netzteil fließen, dann könnte man sich einen Steckadapter mit Shunts in den Minusleitungen basteln und die Spannungsabfälle (massebezogen) mit einem fertigen Meßmodul erfassen.

Vorteil des Steckadapters:
Man muß keine Leitungen auftrennen und kann nach der Messung wieder alles in den Originalzustand zurückversetzen.

Die Idee mit dem Steckadapter mag gut sein, aber wer obige Hinweise gelesen hat, der ahnt schon, daß dies zum Scheitern verurteilt ist:
Man kann „interne Massen“ nicht über einen Steckverbinder „auftrennen“!
Prinzipschaltplan mit Masseführung
Will man also z. B. wissen, was auf der 3,3-V-Leitung zum Prozessor los ist, dann nützt es nichts, einen Shunt in die Minusleitung einzuschleifen, denn: Die Masseleitungen innerhalb vom Netzteil, als auch alle Masseflächen auf dem Motherboard, sind miteinander verbunden und verursachen so einen Kurzschluß am Shunt!

Meßmodule mit einem Shunt in der Minusleitung scheiden somit aus. Üblicherweise haben diese Module (wegen dem dann unweigerlich auftretenden „Masseproblem“) auch keine (I2C-)Schnittstelle zu einem µC.
Fazit
Will man einen Shunt in der Minusleitung vermeiden, dann verbleibt z. B. die (potentialfreie) magnetische Ringkernmessung oder zwei (massebezogene) Spannungsmessungen (U3 und U4) über einem Shunt in der Plusleitung:

                           
Die „doppelte Spannungsmessung“ mit einem Shunt in der Plusleitung kann man mit einem „High-Side Current-Sense-Chip“ realisieren:
Das IC mißt den Spannungsabfall über dem Shunt und spiegelt die verstärkte Differenzspannung in eine (massebezogene) proportionale Ausgangsspannung. Diese kann man dann in einen A/D-Wandler einspeisen und einem Meßsystem zur Verfügung stellen.

Beispiele für ICs
Der INA29 kann sowohl den Strom durch den Shunt als auch die Spannung über der Last messen. Somit kann z. B. auch die Leistung PLast mit P = U * I berechnet werden. Die 3 Register-Werte kann man zur Weiterverarbeitung über eine I2C-Schnittstelle auslesen:
Bild: © TEXAS Instruments
Der MAX4372 kann den Strom durch einen Shunt messen und eine proportionale Ausgangsspannung ausgeben, hat allerdings keine I2C-Schnittstelle implementiert:
Bilder: © MAXIM
Ergebnis:
Strommessungen innerhalb eines PCs sind mittels Adapterstecker und mehreren Shunts in der Plusleitung sowie mit entsprechenden ICs kein Problem.

Erstausgabe: Dez. 2000 - Neuauflage: Sept. 2022
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